Vor einem Jahr war ich als Pilger unterwegs. Ausgehend vom Münster der Konzilstadt Konstanz bis Rapperswil am Zürichsee bin ich 69 der insgesamt 2340 km gepilgert, die es bis Santiago de Compostela sind. Während fünf Tagen war ich allein auf dem so genannten „Schwabenweg“ unterwegs.
In einer kleinen Kapelle am Wegesrand, die Blasen an den Fersen behandelnd, fiel mir plötzlich etwas seltsames auf. Ich war gar nicht allein unterwegs! Ich hatte die ganze Zeit mich selbst im Gepäck. Wie oft wird die spirituelle Dimension des Pilgerns beschworen, vom Loslassen und Gewinnen neuer Impulse geschrieben. Aber hier, in dieser kleinen Kapelle, andächtig vor der verstaubten Marienstatue die lädierten Schweissfüsse pflegend, merkte ich, dass all die Gedanken, Hoffnungen, Sorgen und auch der Ärger über Vergangenes so kräftig in meinem Kopf schwirrten, wie kaum zuvor. Ausgerechnet!
Von wegen Loslassen; es ist ja alles immer noch da! „Und so“, dachte ich mir, muss es wohl gemeint gewesen sein. „Pilgern“, dachte ich mir, „bedeutet wahrscheinlich in Wirklichkeit, es mit sich selbst aushalten zu wollen“. Alles andere ist Geschenk.
Wenn ich allein segle – man nennt das Einhand segeln, obwohl man eher mehr als eine Hand allein dazu benötigen würde – ist es nicht anders. Die Gefühle beim Loslassen der Sicherheit spendenden Landleinen, das Unterwegs-sein allein mit den Kräften der Natur und die Erleichterung, am Ende des Tages einen sicheren Liegeplatz gefunden zu haben, sind unbeschreiblich. Und trotzdem begegne ich meistens abends, wenn ich Zeit zum Nachdenken habe (!) immer wieder derselben Person, mir selbst. „Ach, du bist auch da? Herzlich willkommen, fühl dich wie daheim und erzähl mir etwas aus deinem Leben!“