Allein die Bezeichnung dafür ist ja irgendwie schon seltsam: Einhandsegeln. Wer das wohl erfunden hat? Gemeint ist das Segeln ohne fremde Hilfe. In der Regel hat man an Bord ja eine Mann- oder Frauschaft, die gemeinsam mit dem Skipper das Schiff steuert. Es gibt immer etwas zu tun. Es braucht jemanden am Steuer, dann muss jemand die Segel setzen und sie ständig neu auf den Wind einstellen, bei den Hafenmanövern ist man sowieso froh um mehrere helfende Hände, die möglichst gleichzeitig überall sein sollten, um das Schiff dorthin zu verlegen, wo es hinsoll.

Alleine fallen diese helfenden Hände weg. Das bedeutet ein genaues Vorausplanen. Wie verhält sich das Schiff, woher kommt der Wind? Hat es eventuell Strömung (zum Beispiel in einem Hafen einer Flussmündung)? In welche Richtung dreht sich das Heck bei Rückwärtsfahrt aufgrund des Schraubeneffekts? All das zu wissen ist wichtig. Noch wichtiger aber, und das lerne ich hier, ist das bewusste Einsetzen all dieser Kräfte für meinen Zweck. Ich muss mit dem Wind arbeiten, mit dem Schraubeneffekt, mit der Strömung, mit der Trägheit des Schiffs usw. Das alles sind physikalische Kräfte, die mir helfen, das Schiff in jene Richtung zu lenken, in die ich es haben will. Vor vielen Jahren habe ich einen Hafen-Manöverkurs in Holland gemacht. Wir waren auf einer wunderbaren, über 30 Tonnen schweren Lemsteraak, einem traditionellen Plattbodenschiff. Wenn ein Manöver nicht auf Anhieb gelang, lachte Marianne, die Skipperin, und sagte den Satz, den ich nie vergessen habe: «Wenn das Schiff nicht das macht, was du willst, musst du machen, was das Schiff will!» Alleine für diesen Satz hat sich der ganz Kurs gelohnt. Man kann nicht gegen die physikalischen Gesetze arbeiten.
Es gelingen längst nicht alle Manöver, wenn ich alleine unterwegs bin, aber ich lerne jeden Tag dazu, die Kräfte der Natur besser einzuschätzen. In Simrishamn sprach mich ein deutsches Ehepaar an und fragte etwas besorgt: «und du bist alleine auf diesem Schiff unterwegs? Wie geht das mit den Hafenmanövern?» Ich antwortete, dass meistens jemand parat steht, der einem die Leine entgegennimmt. Und wenn einmal niemand dasteht, dann sieht wenigstens auch niemand zu, wenn ein Manöver in die Hosen geht. Hafenkino nennt man das. Zu gaffen gibt es immer was in den Häfen.

Unterwegs ist es einfacher. Da hilft mir der Autopilot. Erst durch den Einbau dieses Gerätes bin ich in der Lage, das Steuer des Schiffs loszulassen, um die Segel zu setzen, sie einzustellen oder zu bergen. Dazwischen kann ich mir Dank des Autopilots eine Pause gönnen und mir den fertig vorbereiteten Lunch aus der Kombüse holen und das tun, was ich schon immer tun wollte: geniessen.

Geniessen ist auch jetzt gerade angesagt. Nach der pulsierenden Stadt Karlskrona, die mir gut gefallen hat, sind wir gegen Mittag in Torhamn angekommen, einem schnuckeligen Minihafen an der südöstlichsten Spitze Schwedens. Das «Zentrum» besteht aus einer Kirche, einen Minimarkt und einer Pizzeria. That’s it. Mehr brauche ich nicht. Zeit zum Lesen ist genug da und die Sonne scheint. Und Barney geniesst die Spaziergänge dem Ufer entlang, wo es immer etwas zu schnüffeln gibt. Besonders lecker findet er tote Möwen oder ausgetrocknete Fische. Da wälzt er sich genüsslich darin, denn für ihn ist das eine Art «Parfüm»: schau mal, wie exotisch ich rieche, findest du das nicht auch supertoll? So weit entfernt sind Hunde dann doch nicht von uns Menschen. Es gibt manche – Menschen! – die sich mit «Musk» einduften und sich dann auch supertoll finden. Ich habe einmal gelesen, was der Grundstoff von Musk ist. Seit ich das weiss, kann ich Barneys Duft-Vorlieben besser verstehen.
