Heute habe ich mich geärgert. Über mich selbst. Ich kann es nicht einmal jemand anderem in die Schuhe schieben, selberschuld! So gut es mir in Hanö gefallen hatte, ich wollte weiter. Die Windvorhersage war suboptimal für heute. Wind aus Ostnordost, Stärke fünf bis sechs Beaufort mit Regenschauern dazwischen. Also wieder einmal Wind aus der verkehrten Richtung. Eigentlich der Klassiker: Hafentag! Ich wollte aber keinen Hafentag, ich wollte weiter. Das rund 30 Seemeilen entfernt liegende Karlskrona war mein Ziel. Da ich in Hanö mit seinem kleinen Hafen, der an der Westseite der Insel liegt, im Windschatten gelegen hatte, konnte ich nicht abschätzen, wie es «da draussen» aussieht, Richtung Karlskrona. Also legte ich mir einen Plan B zurecht. Sollte Karlskrona wegen der Windverhältnisse nicht drin liegen, drehe ich ab und segle nach Karlshamn, das nur knapp zehn Seemeilen entfernt und nördlicher liegt. So sollte es klappen. Dachte ich.
Der Wind war, wie von der App vorhergesagt, recht heftig. Sobald ich aus dem Windschatten der Insel war, schnellte die Windanzeige auf 20 bis 25 Knoten, also fünf bis sechs Beaufort. Ich ging die Sache recht vorsichtig an, wie ich meinte, und rollte lediglich die Genua aus, und zwar von Anfang an im dritten Reff (das heisst, eine deutlich geringere Segelfläche). Das Grosssegel packte ich erst gar nicht aus. Allein mit dieser Minisegelfläche sprang La Cabane auf 6,5 Knoten Fahrt und bretterte durch die Wellen. Die Wellen, was für Wellen! Es schien mir, als wollten sie mich absichtlich ausbremsen. Sie waren nicht besonders hoch, ich schätzte sie auf nicht ganz einen Meter. Mit voller Gewalt donnerten sie aber endlos gegen den Bug und wälzten sich anschliessend über das ganze Schiff. Sie zerrten am Schiff und schlugen so erbarmungslos auf das Boot ein, dass mir nicht mehr wohl war bei der Sache. Umdrehen war keine Option, also ziehen wir die Sache durch. Das Ziel war unterdessen sowieso klar: Plan B.
Nach einer Weile überlegte ich mir, was passieren würde, wenn eine Böe mit z.B. Windstärke sieben kommen würde. Wie würde sich dann das Schiff verhalten? Es hatte bereits jetzt recht starke Krängung nach Backbord. Ich beschloss also zur Sicherheit die Genua einzurollen und nur mit Maschine weiterzufahren. Kaum war die Genua eingerollt und der 13 PS Diesel an, musste ich feststellen, dass der Motor zu wenig Kraft hatte und kaum gegen den Wind und vor allem gegen die kräftigen Wellen ankam, die das Boot unablässig ausbremsten. Bei 3’000 Umdrehungen kam ich mit läppischen 2,5 bis 3 Knoten Fahrt vorwärts. Das Schiff stampfte hilflos in den Wellen wie in einer Achterbahn hoch und runter. Das war eine schlechte Lösung, also Genua wieder raus, damit ich wenigstens Fahrt mache und mit zusätzlicher Unterstützung durch die Maschine würde ich somit wenigstens das Leiden verkürzen können, bis ich endlich nach zwei Stunden im sicheren Hafen sein werde.
Es gibt eine ungeschriebene Regel, eine Art Gentlemen-agreement unter Fahrtenseglern, dass man niemals, ausser es gehe gar nicht anders, gegen den Wind ausläuft. Das gehört sich nicht unter Fahrtenseglern, sondern dann wartet man besseren Wind ab. Heute hatte ich gegen diese Regel verstossen und die Strafe umgehend kassiert. Das hat gesessen. Es gibt durchaus Leute, denen das egal ist oder die sogar Geld damit verdienen. Wilfried Erdmann zum Beispiel, der hat die ganze Welt gegen den Wind umrundet. Alleine. Kreuzen gegen den Wind muss man sich wie einen Zickzack-Kurs vorstellen. Da man nicht segeln kann, wenn der Wind genau von vorne kommt, muss man kreuzen. Das bedeutet, dass man «am Wind vorbei» segelt. Statt geradeaus, direkt auf das Ziel zu, segelt man eine Wende um die andere im Zickzack-Kurs auf das Ziel zu. Moderne Boote schaffen einen Winkel zum Wind von ungefähr 40 Grad oder weniger. La Cabane schafft 50 bis 60 Grad, das ist schon recht gut. Auf gewissen Strecken legte Erdmann mit diesem Kreuzkurs ein Etmal von minus 3 Meilen hin. Ein Etmal ist die Strecke in Seemeilen, die man auf dem Meer in 24 Stunden zurücklegt. Ein gutes Etmal ist z.B. 120 Meilen in 24 Stunden. Wenn man nun pausenlos gegen den Wind kreuzen muss, kann es durchaus sein, dass man zwar eine gewaltige Strecke zurücklegt, effektiv aber kaum vorwärts kommt, oder sogar an «Höhe» verliert, sich also tatsächlich vom Ziel entfernt. Man stelle sich vor, was das für die Psyche bedeutet!
Endlich im Stadthafen von Karlshamn angekommen, war ich einfach nur noch müde und schlief erst mal eine Stunde, bevor ich das Schiff unter Deck aufräumte, das nach dieser Fahrt aussah, als hätte eine Bombe eingeschlagen. Karlshamn ist eine Stadt mit den üblichen «facilities». Man kann sie besuchen, muss man aber nicht. Sie hat ungefähr den Charme von Pforzheim, nur dass es eben am Meer liegt.
Karlshamn Stadthafen Hier sollte jemand aufräumen
Wie ging‘s Barney auf dieser stürmischen Überfahrt?
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Der hat immer den besten Platz in seiner Hundekoje und verschläft einfach alles. Schwanzwedelnd kriecht er dann aus seiner Loge, wenn die letzte Leine an Land belegt ist.
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