It’s a long way home!

„Hallo Herr Jost, Wie geht es Ihnen? Ist ihr Schiff wieder einsatzfähig? Grüße.“ Diese Nachricht auf WhatsApp von meiner früheren Werft am Bodensee hat mich berührt. Meine Antwort liess nicht lange auf sich warten: „Hallo, das ist schön, dass Sie nachfragen. Ehrlich gesagt, brauchte es etwas Zeit, nach meinem Crash vor Schwedens Küste wieder auf die Beine zu kommen. La Cabane ist Geschichte – das Schiff gibt es nicht mehr.“

Letzter Blick auf La Cabane in Romanshorn

In der Zwischenzeit sind einige Monate seit meinem traumatischen Erlebnis vor Schwedens Küste vergangen. Immer wieder höre ich diesen unglaublich lauten Knall des Aufschlags auf das Riff unter Wasser und das Beben des Schiffsrumpfes mit dem augenblicklichen Stillstand des Bootes auf dem Meer. Die Schreckenssekunden der Pein und Verzweiflung über meinen eigenen, unglaublichen Fehler, diese Stelle übersehen zu haben, kommen mir dabei hoch, als wäre es eben erst passiert.

Nach einer Woche Notquartier in Bergkvara hatte ich Schweden mit Barney und zwei Tüten Reiseproviant Richtung Schweiz verlassen. Mein Schiff musste ich in Schweden zurücklassen, bis es rund vier Wochen später auf den LKW verladen und in die Schweiz transportiert wurde. Noch vor meiner Abreise hatte ich die Speditionsfirma, die in meinem Auftrag die korrekte Verzollung abwickelte, darüber informiert, dass das havarierte Schiff in Schweden zur Abholung bereitsteht. „Warum sind Sie mit Ihrem Schiff in Schweden?“, fragte mich verdutzt der Spediteur der Firma Gondrand am Telefon. „Nun, ich bin hierher gesegelt wie geplant. Leider hat ein Unfall einen Strich durch den Plan gemacht, und jetzt heisst es Planänderung.“
„Ok, sagte der Spediteur nur, aber erwähnen Sie gegenüber keiner Zollbehörde, dass Sie mit dem Schiff in Schweden waren!“ Das war die Einleitung zu einem Spiessrutenlauf durch insgesamt vier deutsche Zollämter, der seinesgleichen sucht. Nach dem „Redeverbot“, das mir der Spediteur auferlegt hatte, war es eine unaufmerksame Mitarbeiterin der Speditionsfirma selbst, die die deutschen Zollbehörden auf den Plan gerufen hatte. Die darauf folgende willkürliche Auslegung der Zollbestimmungen durch die verschiedenen Ämter liess keine Wünsche offen. Nach rund einer Woche Irrfahrt des LKW’s durch mehrere deutsche Zollämter und einer Paragraphenguerilla wie im kalten Krieg wurde La Cabane endlich am 22. Juli in Romanshorn abgeladen.

Fähre von Trelleborg nach Rostock
Überfahrt mit der Fähre von Schweden nach Deutschland.

In Romanshorn angekommen, hatte ich meine Tochter dabei, die mir helfen wollte, das Schiff auszuladen. Beim Besteigen des Schiffs dauerte es eine Weile, bis ich gewahr wurde, dass einige Gegenstände fehlten. Erst war es der Wein, den mir Andreas beim Abschied geschenkt hatte, und den ich mit Carola in Kopenhagen trinken wollte. Seltsam!, dachte ich, dann merkte ich, dass der TV nicht in der Achterkabine war, wohin ich ihn vorsorglich für den LKW-Transport versorgt hatte. Erst jetzt schaute ich genau hin und stellte fest, dass auch das nagelneue Funkgerät fehlte, der Umwandler von 220 V auf 12 V Bordstrom, ja selbst das Dinghy (Rettungsboot), die Kaffeemaschine, weiteres elektronisches Zubehör. Selbst der Wantenschneider und weiteres Werkzeug fehlten. Es folgte eine Überraschung der nächsten. Die herbeigerufene Polizei nahm den Schaden auf und noch Tage später fielen mir Gegenstände ein, die ich seit Schweden vermisste.

Wenig später kam der Schadenexperte der Versicherung an Bord und untersuchte das Schiff auf alle sichtbaren und noch zu vermutenden Folgeschäden. In einem knapp 20 Seiten umfassenden Bericht kam der Experte zum Schluss, dass die „Wirtschaftlichkeit einer Reparatur“ nicht gegeben ist.

La Cabane wurde vier Wochen später zersägt und entsorgt. Die Versicherung hat mit der Auszahlung des Versicherungswertes den Fall abgeschlossen. Ich möchte dazu erwähnen, dass seitens Versicherung alles super korrekt abgewickelt wurde und ich wenigstens in dieser Sache einen fairen Partner an meiner Seite hatte.

Zum Schluss hier noch der Film zum Blog
(auch zu sehen auf https://www.youtube.com/watch?v=euxuEht81EM&t=13s)

 

 

4 Kommentare zu „It’s a long way home!

  1. Lieber Sergio, das ist so schade! Wir hoffen, dass du bald wieder am Wasser unterwegs bist, es gibt bestimmt bald neue Pläne und Möglichkeiten. Ganz liebe Grüße von Bord der Maha Nanda, Ulli und Christoph

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    1. Hallo Ihr beiden, danke für Eure lieben Grüsse. Alles wird gut!
      Mit grossem Interesse lese ich Eure Abenteuer. Dass Euer Karibik-Traum geplatzt ist, war bestimmt eine Ernüchterung, aber wie es scheint, streckt der Künstler seine Fühler bereits nach neuen Abenteuern bzw. ausschweifendem Leben aus. Das Leben entwickelt sich oft anders, als wir es planen, aber deshalb nicht zwingend schlechter!
      Gruss, Sergio

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      1. Auch wenn der Frust manches Mal groß ist, muss man die positiven Seiten sehen. Sind zwar oft schwer zu finden, aber sie sind da 😎 Ich glaube trotz vieler Rückschläge daran.

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  2. In meinen immerhin vier Wochen Einhand auf See habe ich einen neuen Zeitbegriff bekommen. Während simple haushälterische Tätigkeiten, welche im Alltag daheim razfatz erledigt sind, auf dem Schiff locker das drei- bis vierfache an Zeit in Anspruch nehmen, kann ein Augenblick des Glücks an Bord so intensiv sein, dass er einen den ganzen Tag ausfüllt. Alleine das war’s wert. Geniesst den Augenblick!

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